total fantasy forever by Adiga/thm28, ©2007

Teil 1 - Der unheimliche Kontinent


 

Ein Fischkutter übersät mit braunrötlichen Rostspuren steuerte im grellen Mittagslicht auf einem lang gestreckten, flachen Strand zu. Seine Lackierung war nur noch blasser stahlgrauer Rest von Farbe und sein Rumpf besaß weder Namenszug noch andere Kennzeichen. Das letzte Stück tuckerte der Fischkuttermotor im Leerlauf. Der Rumpf trieb gemächlich dahin und als der Motor abgestellt wurde, war es plötzlich sehr leise. An diesem Strand hatten Ohren vermutlich noch nie das sonore tiefe Tuckern eines Dieselmotors gehört. Der Strandabschnitt sah auch nicht gerade bewohnt aus, und die verdorrt wirkende Vegetation machte alles andere als einen einladenden Eindruck. Der Himmel spiegelte sich satt und wolkenlos in den glitzernden Wellen. Es war heiß, blau und beinah windstill.

All diese Momente standen eine junge Frau und ein Mann am Vorderdeck; Zwischen ihnen bestand ein Respektabstand von gut zwei Schrittlängen.

 

Es gab kein Anzeichen, als verspürten sie füreinander überhaupt irgendeine Zuneigung. Sie beobachteten den Strand und kümmerten sich während des ganzen Anlegemanövers nicht um die Anwesenheit des anderen. Es gab auch kein flüchtiges zu einander schielen. Die Frau war noch sehr jung und sehr blass. Sie hatte schulterlanges, schwarzes Haar. Zwischen ihren Gesichtern bestand keine Ähnlichkeit. Sie trug ein seidig glänzendes Brombeerfarbenes Oberteil mit einem sehr geradlinigen, edlen Schnitt. Dazu einen kurzen engen Rock und bunt gestreifte, eng anliegende Wollstrümpfe bei denen orange und rosa Farbtöne überwiegten. Ihr Blick wirkte erwartungsvoll mit einem Hauch von Erregung. Höchstwahrscheinlich verursacht durch eine Art Wiedersehensfreude. Trotzdem blickte sie wie versteinert an den sandigen Strand. Der Mann schaute deutlich ernster, aber ob ihn der Anblick der Vegetation mit solcher Ernsthaftigkeit erfüllte, oder ob es nicht doch vielmehr seine eigene innere Besorgtheit war, ließe sich nur klären, wenn man in ihm hineinschauen könnte.

Hinter dem sandigen Strand erhob sich ein dicht gedrängter und vollkommen kahler Wald. Von der Ferne wirkten sämtliche Äste verdorrt. Die Gewächse türmten sich bedrohlich auf und es schien am ganzen Strand nur eine einzige Gewächsart zu geben. Der Mann sah den Augenblick gekommen, jene eine wichtige Frage zu stellen, die seine letzte Unklarheit über die Motive des Reiseziels klären würde. Vorausgesetzt er bekam die Antwort, die er erhoffte.

 

„Ich nehme an, du bekamst eine Nachricht, und du weißt, was wir auf dieser unheimlichen Insel verloren haben?" fragte er Maraygco.

"Unheimlich. Nein." Sagte sie. Ihre Stimme klang merkwürdig ernst und unerwartet reif.

 

"Diese Insel ist nun wirklich nicht unheimlich", sagte sie ihren Begleiter durchschauend, "Zumindest war sie es früher nicht.“ und nach einem kurzen Atemholen fügte sie an: "Und wenn doch, seit wann macht dir ein bisschen Unheimlichkeit Angst? Trohm“, und das sagte sie mit einem Zwinkern, „das müsstest du schon längst gewohnt sein."

 

Es war nicht die Antwort, die er erhofft hatte, um es gleich zu sagen, noch ausweichender ging es eigentlich nicht, und Maraygco machte es mit voller Absicht. Sie wusste genau, was Trohm in Erfahrung bringen wollte, und sie wusste, dass auch er es wusste, dass sie es wusste, Trohm fragte einfach noch einmal, diesmal ganz direkt: "Ich hoffe sehr, es steckt dein Vater dahinter, dass wir hierher gekommen sind." setzte Trohm fort.

 

"Nicht direkt und bestimmt weniger als es den Anschein haben mag. Als wir uns zuletzt sahen, falls du das meinst. Bevor er fort ging, verlor er kein Wort darüber. Es war allein meine Entscheidung."

"Deine?“ sagte er sein Ton war vorwurfsvoll, „Maraygco, findest du das klug?"

Sie antwortete nicht darauf. Denn sie wusste, dass er es längst gewusst hatte, dass ihr Vater nichts mit dieser Entscheidung zu tun hatte. Trohm hatte sich bloß so sehr seinem Inneren Gefühl entgegengestellt, dass er es nicht erkennen konnte. Er wünschte sich zu sehr, ihr Vater hätte Maraygcos Wege vorbereitet, wenigstens in groben Zügen. Jetzt bliebe nur noch eins, er musste es akzeptieren. Er zog ein Fazit, unter welchem Zeichen diese Reise also begann; Sie hatten mit allem zu rechnen, damit hatte er bereits gerechnet, aber zudem gab es nirgends so etwas ähnliches wie den richtigen Weg.

 

Eine dritte Person betrat das Deck. Es war Derid und ihre Erscheinung war die einer Kriegerin. Sie schaute finster und jede ihrer Blicke sandte eine grimmige Botschaft. Höchstwahrscheinlich hatte sie einen guten Grund derart mies gelaunt zu sein. Sie war etwa im selben Alter wie Trohm. Noch bevor sie zu Maraygco und Trohm herangekommen war, äugte sie unentwegt wie die andern beiden, es auch getan hatten, an den Strand. Sie steckte in einer dunklen Lederrüstung, als wolle sie jeden Moment einen Kampf austragen. Am Kopf trug sie eine lederne Kappe mit eingeprägten Runenzeichen unter dem ihr langes, rotblondes Haar hervorkam, das strähnig und ungepflegt über ihre Schultern fiel. An der Seite trug sie ein Schwert. Ihre Erscheinung erklärte sich nicht so recht, wenn man bedachte, dass sich Derid auf einem Fischkutter mit tuckerndem Dieselmotor befand, aber zu ihrem fast bösartigen Blick harmonierte ihr grimmiges Aussehen dann doch recht gut.

Zweifelsohne war sie gut trainiert, doch was sie vor allem von den anderen beiden unterschied, war jener grüne Schein, von dem sie ständig umgeben war, der aber im grellen Mittagslicht kaum zur Geltung kam. Als sie näher zu Trohm und Maraygco herantrat, tuschelte Trohm Maraygco zwei Worte ins Ohr, kurz wie eine Warnung. Als gäbe es ein Geheimnis zu bewahren.

 

"Derid kommt", flüsterte er. Alle drei schauten derweil mehr oder weniger fassungslos dem Festland entgegen. Derid war erfahren und sie hatte vieles schon gesehen; auch schon vieles Unnatürliche, aber derartige Bäume, von denen man außer Gestrüpp und noch viel mehr Gestrüpp nichts sah, war neu für sie.

Besonders ein Wald, der es eilig zu haben schien sich als eine bleiche Mauer zu erheben, sich von seiner Umgebung abzuschotten und mehr als hundert Fuß ohne Wandel in seiner Struktur in den Himmel hineinzuragen. Eine Mauer die so undurchdringlich wirkte, als hätte sogar ein Eichhörnchen Mühe gehabt eine Lücke zu finden, um ins Innere zu schlüpfen. Letztlich sah man aber vor lauter Wald keinen einzigen Baum. Derid fragte sich längst, ob es überhaupt ein Wald war und dann war noch die Frage, wie die Ayrihn dieses Geflecht nannten; davon hing es letztlich ab, ob es Bäume waren oder nicht; (Wie so oft hing es, möchte man gerne hinzufügen, von den Ayrihn ab.)

So wie es aussah, wurde die Insel gänzlich von diesem wirren Geflecht bedeckt, und es begann wie ein geschlossener Wall, wie eine Mauer die Ankömmlinge abhalten sollte.

 

Derid war die erste, die offen zu reden begann. In Anbetracht der Vorstellung, dass sie hier an Land gehen wollten, sagte sie: "Ich hoffe, deine kleine Freundin weiß, was sie vorhat."

"Ich vertraue ihr." entgegnete Trohm Derids Zweifel kurz entschlossen.

"Ich vertraue nur mir." entgegnete Derid wiederum.

Ein älterer unrasierter Mann war inzwischen auf Deck erschienen. Derid schaute zurück: "Und sonst niemandem..." fügte sie hinzu.

 

Jener ältere unrasierte Mann war lediglich der Kapitän, er mochte manchmal mit verwegenem Blick eine Frau ansehen. Aber was diese kleine Gruppe anging, da war er bestimmt der aufrichtigste und harmloseste Zeitgenosse, unter jenen vier.

"Hier wolltet ihr also her. - Wenn die Instrumente nicht fehlgeleitet wurden, sind wir tatsächlich da. Ich kann es ja kaum glauben, dass wir so weit gekommen sind. - Nun ja, das ist ein merkwürdiger Wald, und er flößt mir Respekt ein, wenn ich das so sagen darf, Frau Maraygco."

 

Die sehr junge Frau zögerte nicht dem Kapitän zu antworten: "Das ist kein Wald." sagte sie mit gläserner, spröder und dennoch weicher Stimme. "Das sind Makantmas. Sie wurden erschaffen, und sollten Bäumen ähnlich sein. Aber es hatte keine primäre Bedeutung, denn Makantmas sind letztlich Apparaturen - und dienen der Energierückgewinnung. Sie filtern auf besondere Weise Energie aus der Atmosphäre und sie hatten nie die Aufgabe für Fremde einladend auszusehen."

"Ist mir ganz gleich, was das ist. Ich setze keinen Fuß an diesen Strand. Ist mir zu unheimlich."

"Und jemand wie Sie täte auch gut daran, sich daran zu halten, denn Leute von eurer Art, würden diese Insel kaum je wieder lebend verlassen."

Derid äugte missmutig zu Trohm hinüber, denn ihr missfiel es stets, wenn Maraygco glaubte, sie müsse etwas von ihrer besonderen Herkunft durchblicken lassen, was man Maraygcos jugendlichem Mädchenaussehen nicht anmerken konnte. Dem Fischkutterkapitän war es herzlich egal, dass Maraygco bei mancher Gelegenheit dick auftrug, und er hielt sich kurz: "Das letzte Stück müsst ihr leider schwimmen." sagte er, "Tut mir leid."

 

Derid rief: "Das ist kein großes Problem." und sprang sogleich über Bord. Mit ihrem schweren Zeug am Körper bereitete es ihr ein wenig Mühe sich über Wasser zu halten, doch das konnte eine Frau wie sie doch nicht aufhalten. Maraygco nahm noch ihren kleinen hellblauen Rucksack auf und war nun auch bereit von Bord zu gehen. "Dann bedanke ich mich herzlich, dass sie uns hierher brachten."

"Das ist doch nicht der Rede wert." erwiderte der Kapitän.

Sie untertreiben und ich möchte nicht, dass sie mit leeren Händen heimkehren. Dazu wäre der Umweg dann doch viel zu groß. - Trohm, gib dem Kapitän wenigstens ein Goldstück."

 

Trohm begann umgehend in seinen Taschen zu kramen, und tatsächlich hatte er noch eine letzte von seinen kostbaren Goldmünzen gefunden. Er steckte sie dem Kapitän zu, der sie zögerlich entgegen nahm.

"Und wenn Sie den gleichen Kurs zurückfahren", sagte Maraygco, "würde ich sagen, sind Sie in spätestens vier Tagen wieder in Sichtweite des Festlands, das Ihnen bekannt ist. Von dort kann es dann keine Schwierigkeit mehr sein zurückzufinden."

 

Der Kapitän grinste ein wenig. Vielleicht weil er dachte, dass Maraygcos Art auf reine Naivität gründete. "Dieses süße, kleine, stolze Ding." so dachte er, "Das wollte ihm etwas über das Navigieren sagen." Maraygco hingegen war ernsthaft besorgt. „Was wäre, wenn der gute Mann versuchte mit seinem Fischkutter eine Abkürzung zu wagen?“ fragte sie sich. „Er würde wohl nie mehr das Festland wieder sehen“; Maraygco wusste genau was passieren würde, wenn er auf dem Heimweg einen anderen Kurs wählte. Deshalb hatte sie ihn auch gewarnt, aber mehr, als ihn auf diese anscheinend naive Art zu warnen, konnte sie letztlich nicht tun. Sie konnte es nicht ändern, dass er von so ziemlich allem eine falsche Vorstellung hatte und keine Ahnung davon hatte, wo er sich tatsächlich befand und noch viel weniger eine Ahnung hatte - wie weit er wirklich von seiner bekannten Welt entfernt war.

 

Derid war erleichtert von all dem Täuschen und Blenden, was Maraygco andauernd betrieb, weiter nichts mehr mitzubekommen. Ihr war Maraygcos überhebliche Art gänzlich zuwider. Ihr war regelrecht Übel, es die letzten Tage mit ansehen zu müssen. Sie spürte nun festen Boden unter ihren Füßen und watete langsam dem Strand entgegen. Trohm hatte sich schweren Herzens von seinem letzten Goldstück getrennt. Es war eine der letzten greifbaren Erinnerungen an sein früheres Leben gewesen, als alles noch um vieles einfacher war und dennoch kompliziert genug, um daran beinah zu verzweifeln. Maraygco war schon über die Reling gestiegen und Trohm folgte ihr. Seine Gedanken waren noch immer auf sein Goldstück gerichtet. Auch das hatte Maraygco mit Absicht so eingefädelt und er hatte sich ihr nicht widersetzt. Sie sprangen zugleich. Doch Maraygco stürzte nicht der Wasseroberfläche entgegen. Sie schwebte hinab, und als ihre Füße die sanften Wellen berührten, lief sie raschen Schrittes über sie hinweg und kam noch vor Derid an den Strand. Dort bückte sie sich und nahm eine Handvoll Sand auf; Sand so weich wie Pulver.

Solche Kunststückchen konnte Trohm nicht machen, er schwamm und es war für ihn, das erste Mal, dass er in so tiefes Wasser gesprungen war. Soweit es ihn betraf, brauchte er sich nicht darum zu kümmern, ob er schwimmen konnte, oder ob er so etwas nicht beherrschte. Als Trohm, und als einer der derartige gleichnamige Fähigkeiten besaß, konnte er darauf vertrauen, schwimmen zu können, wenn es erforderlich war. Selbst wenn er es wirklich noch nie getan hätte, würde er es in dem Augenblick lernen, wenn er es darauf ankommen ließ. Das machte Trohme im Grunde aus, das machte sie so gefürchtet oder begehrt und ohne seine besonderen Fähigkeiten wäre er nicht Trohm, oder ein Trohm, oder auch ein bestimmter Trohm, und auch nicht Maraygcos Begleiter.

 

In seinen Gedanken war Trohm ohnehin bei seinem verlorenen, letzten Goldstück. Der Kapitän hatte es eingesteckt, und es war in dessen Taschen verschwunden. Als der Motor wieder zu tuckern anfing, befand es sich auch noch in dessen Tasche, und Trohm war sich sicher, das geliebte Goldstück würde sich noch in des Kapitäns Taschen befinden, wenn sich dieser Kahn samt Goldstück längst aus Trohms Wahrnehmungsbereich entfernt hätte. Aber vielleicht käme es auch gar nicht dazu... Aber dazu später.

Maraygco hatte jenen Sandstrand wieder gefunden, den sie aus ihrer lange zurück liegenden, frühen Kindheit her kannte. Sie hatte schon seit Ewigkeiten das Bedürfnis gehabt hierher zurückkehren zu müssen. Wie viele Jahre seit dem vergangen waren, sie konnte es sich eigentlich kaum vorstellen, dass es schon so lange her war. Eine kleine Ewigkeit und mehr. Ein fast unvorstellbares Gefühl, wie sie nach so langer Zeit diesen Sand wieder durch ihre Finger gleiten lassen konnte. "Herrlich." dachte sie und lächelte sanft. - Diese Zufriedenheit gefiel Derid nicht.

 

"Ich wusste gar nicht, dass man bei eurem Volk beinah unentwegt dämlich grinst." fuhr sie Maraygco barsch an. Maraygco reagierte dennoch auf Derids Unhöflichkeit.

"Ich freue mich eben, endlich hier zu sein."

"Und, was ist an dieser Insel nun so besonders?"

"Was du eine Insel nennst, ist ein Kontinent, den du noch nie betreten hast, und ich wurde unweit von hier geboren. Hier verbrachte ich meine Kindheit."

"So etwas Ähnliches habe ich schon befürchtet, aber ich dachte Leute aus deinem Volk hätten keine Kindheit und das mit dem "Geboren-Werden" ist bei einem Ayrihn doch irgendwie nicht ganz so wie man sich das so vorstellt, und erzähl mir jetzt keinen Mist. Ich weiß, genau was du bist."

"An deiner Stelle wäre ich etwas netter und kooperativer. Derid aus E'Chekar, verbündete des gestürzten Dämonenfürsten und dunkle Kriegerin der Krallenträger. Du bist unser Feind, trotzdem wurdest du am Leben gelassen. Jetzt bist du gefasst, wurdest bestraft und bist verdammt uns zu dienen, bis dich mein Vater oder einer der mächtigen Acht wieder frei gibt." Danach wandte sich Maraygco dem unnatürlichen Wald zu und beachtete Derid nicht länger.

 

Derid legte ihre Hand an den Schwertgriff. Irgendetwas gefiel ihr an dieser kleinen, vorlauten Göre nicht, und es war höchste Zeit das herauszufinden.

"Aber wenigstens muss ich dabei nicht nett sein." schimpfte sie zurück, und einen Augenblick dachte sie, sie könnte dieses eingebildete, unreife Etwas rücklings niederstrecken und alles wäre vielleicht vorbei.

 

Als hätte Maraygco gespürt, was hinter ihrem Rücken Derid in Erwägung zog, stachelte sie Derid sogar noch weiter an: "Wenn du denkst das nützt, dann sei eben nicht besonders nett, Derid; und mach nur so weiter!"

 

Derid zog blitzschnell ihr Schwert, holte aus, sprang auf Maraygco zu, aber es endete schon, bevor Derid abspringen konnte. Nichts wurde daraus, Maraygco die scharfe Klinge ins Genick zu jagen. Ihre flinken Bewegungen wurden aufgehalten. Maraygco drehte sich um, und fand es amüsant, Derid in erstarrtem Zustand zu sehen.

"Es ist tragisch. Nicht wahr! Wenn dein eigener Wille dir einen Streich spielt, und du es nicht bis zum Ende ausführen kannst. Du hättest es aber ahnen können, dass ich dir nicht jede Freiheit lasse. - Einst warst du bestimmt nur eine schwache, sterbliche Frau; Sehr menschlich! und auch sehr fehlerhaft! Bis du in die Hände unserer dunkler Feinde gerietest. Oder sollte ich Krallen sagen. Sie manipulierten dich, bestimmt manipulierten sie dich. So viel Hass erzeugten sie in dir, man könnte damit bestimmt einen Ozean füllen! Sie verwandelten dein kümmerliches Äußerliches in diesen gestählten, makellosen Körper einer perfekten Kriegerin. Du spürst keine Erschöpfung, keinen Hunger, keine Müdigkeit und Verletzungen, was kümmern dich noch Verletzungen. Sie haben dich zu einem grandiosen Werkzeug des Krieges gemacht. Du bist deren Werkzeug geworden, möglicherweise hältst du dich sogar für unbesiegbar - im Kampf, und du nahmst alles, was sie dir schenkten, willkommen an, fragtest nicht, wieso sie dich verwandelten.

Aber was nützt dir das jetzt alles, Nichts!" Maraygco stieß Derid an, und diese kippte um wie eine marmorne Statue. "Wo sind deine Verbündeten jetzt? Du bist allein. Du große, starke Derid, ja ich spotte dir, weil ich es nicht nötig habe gegen dich zu kämpfen, weil du noch immer nichts anders bist als ein schwacher Aydy." [ei:-die]

 

Trohm erreichte das Ufer, Derid lag zum Zerreissen angespannt im Sand und als ihr Begleiter hatte er die Aufgabe Maraygco vor sich selbst zu beschützen. "Maraygco hör auf!" forderte er sie auf. "Du siehst es selbst. Du quälst sie. Ich muss dir doch nicht mehr sagen, dass du gerade einen Fehler begehst. Das ist nicht der richtige Zeitpunkt und auch nicht notwendig."

"Trohm, sie wollte mir etwas antun!"

"Aber haben wir nicht ein gemeinsames Ziel? Ich dachte, wir haben ein gemeinsames Ziel."

Trohm versuchte Maraygco in die Augen zu schauen, doch sie drehte sich von ihm weg. Er näherte sich ihr nicht und versuchte auch nicht, erneut in ihr Gesicht zu schauen. Er ließ sie erstmals ihren Standpunkt den Raum geben, soweit sie glaubte, sie müsste ihren Kopf durchsetzten

"Ich war nie der Meinung, dass ihre Anwesenheit erforderlich ist." sagte Maraygco, und es klang als fühlte sie sich in ihrem Stolz gekränkt.

"Du weißt, wer das entschieden hat, und darum ist sie bei uns."

"Manchmal irren sie sich eben auch jene, die glauben weise zu sein."

"Bitte Maraygco, hör damit auf."

"Trohm“, Maraygco warf kurz einen Blick auf ihn, drehte sich aber bevor sie weiter redete wieder weg. „Du bist im Grunde noch ein Kind."

"Ja, möglich; - und ich habe sogar um mein Goldstück getrauert, falls du es nicht bemerkt hast. Um jenes, das ich deinetwegen nicht mehr besitze. Mir bedeutete dieses Goldstück gleichviel, wir dir diese verdammte Insel."

"Das ist ein Kontinent."

"Unterbrich mich nicht. Wozu hackst du dauernd auf Derid herum und stachelst sie an, glaubst du, ich bemerke das nicht? Sie versucht es dir bloß heimzuzahlen."

Maraygco drehte sich um und trat in den Sand.

"Diese verdammte rothaarige Bestie wollte mich umbringen, einfach so, soll ich mir das gefallen lassen? und wenn es nach mir gegangen wäre, würde sie keine Chance mehr bekommen. Sie hätte für ihren Verrat sterben müssen."

"Wir haben alle schon so viel verloren und mussten vieles aufgeben. Wir bezahlen alle einen hohen Preis und du nicht mehr wie Derid."

"Aber sie denkt, nur sie bezahlt."

 

Trohm trat ganz nah an Maraygco heran und ergriff einen ihre Arme und schaute tief in ihr Gesicht.

"Ich - werde mit ihr reden, aber du wirst dich von nun an deine Gesetze halten. Gib sie jetzt frei."

Maraygco wollte sich losreißen.

"Sie wird ihr Schwert ohnehin gleich brauchen. Aber es wäre ganz gut, wenn ein wenig Vernunft in ihren verdunkelten Geist einkehren würde. Somit wäre es viel weniger anstrengend mit ihr!"

Trohm hielt ihren zarten Arm noch fester.

"Lass sie einfach nur frei."

 

Maraygco drehte sich weg, senkte ihren Blick und beendete ihre kleine Demonstration. Zugleich ließ Trohm ihren Arm los. Derid erholte sich rasch, und Trohm wandte sich ihr zu.

"Du solltest nicht Streit mit ihr suchen. Du kennst sie längst gut genug und weißt längst, Maraygco ist dir in den meisten Dingen überlegen."

"Ich wünschte, du wärst ertrunken." knurrte Derid.

"Nein, Derid!" schrie Trohm sie nun kurz und heftig an. "Du bist nicht ohne Schuld und das weißt du genau."

"Was!" zischte Derid.

"Habe ein bisschen Einsicht. Nur ein bisschen Einsicht, verstehst du."

"Sie ist ein Ayrihn, Trohm, und kein Mensch. Sie ist einer dieser Unsterblichen, die über unser aller Schicksal entscheiden. Tag für Tag spielt sie mit uns und lässt uns spüren, wie viel Macht sie besitzt."

"Ihr seid beide unmöglich, wenn ihr ständig streitet. Ihr stürzt aufeinander zu; blind wie aufeinander gehetzte Bluthunde."

"Ach vergiss es. Du bist doch nur ein weiteres armseliges Schoßhündchen dieser Ayrihn-Göre."

 

Trohm drehte sich weg, schaute zum düsteren Waldsaum und atmete schwer. Er musste einsehen, Derid war noch nicht bereit.

"Wir müssen jetzt zusammen halten. Alle drei." Er warf beiden einen raschen Blick zu. "So schwer es jedem einzelnen fallen mag. - Wenn wir uns gegenseitig immer nur zerfleischen, werden wir überhaupt nichts damit erreichen. - Ich schlage vor, Maraygco, sagt, wie sie sich die nächsten Schritte vorstellt. Wie geht es also weiter?"

 

"Wir werden einen der alten Pfade in das Innere der Insel benutzen."

Derid konterte stutzig plappernd: "Womit habe ich das verdient!"

Maraygco blieb diesmal gelassen und befahl Derid: "Du wirst vorangehen und Wir werden dir folgen."

"Und warum kommt er mit, wozu brauchst du jemanden wie Trohm?"

"Trohm kommt mit, weil ich dich sonst das nächste Mal zu Stein verwandelt stehen lasse, bis in alle Ewigkeit."

"Natürlich komme ich nicht deshalb mit." fügte Trohm hinzu, und er wünschte sich nur noch, dass Maraygco und Derid die ständigen Streitereien endlich bleiben ließen. Aber weil er den Mund aufgemacht hatte, spottete Derid nun Trohm.

"Komm Schoßhündchen. Mach Platz! Mach Sitz! Sag schön: Sei Brav! Sei lieb. Bah! Du bist ein Nichts, Trohm. Aber ich wollte schon immer einmal einen dieser rätselhaften Trohme sehen, die angeblich alles Mögliche über fast alles Wissen, doch über sich selbst fast nichts. Sie sollen Furcht einflößend sein, habe ich gehört, doch du gehörst bestimmt nicht dazu. Du Schießbodenfigur.“

Trohm stellte sich in seiner vollen Größe vor Derid hin.

"Derid!" sagte er warnend, "Bemerkst du eigentlich, dass du diejenige bist, die jetzt noch immer nicht damit aufhört."

 

Maraygco trat auch heran und forderte Derid auf die Sache ruhen zu lassen: "Nimm endlich dein Schwert, und bring uns hinein!" Aber Trohm streckte rasch seinen Arm zur Seite, hinderte Maraygco noch weiter an Derid heranzugehen und schuppste sie sachte zurück. Dann schob er Derid nach vor und drehte sie in Richtung des Gestrüpps. Derid wehrte sich ein wenig.

"Derid, du gehst voran! Stellst dich jetzt an das Gestrüpp! Siehst du, das ist deine Aufgabe." Er zeigte auf den Wald. "Vergiss Maraygco! Sie ist für dich jetzt ganz unwichtig... Packe das Schwert, hau drauf los."

 

Derid umklammerte den Griff nun fester, zögerte, aber nur einen Moment und schlug dann mit einem kurzen präzisen Schlag einen einzelnen Ast ab. Daraufhin hielt sie wieder inne.

"Du hast von mehreren alten Pfaden gesprochen?! Ich sehe aber keinen Pfad." prahlte sie Richtung Maraygco.

"Dann beginnen die Pfade wohl erst ein Stück innerhalb." gab Maraygco zurück.

"Und warum benutzt du nicht deine Macht, um einen Weg zu bahnen."

"Stell dir vor, ich hab's vielleicht schon versucht, doch die Makantmas sind möglicherweise immun gegen meine Macht, und es wäre ein bisschen übertrieben, wenn ich den ganzen Kontinent entzwei reißen müsste, nur um einen Weg durch diesen bescheidenen Wald zu haben."

"Beachte sie nicht, mach uns einen Weg." stellte sich Trohm wieder dazwischen.

"Ich bereue es langsam, dass ich mich auf diese Sache eingelassen habe." murrte Derid.

"Wenn es dir dann besser geht, stell dir meinetwegen vor mit jedem Hieb auf mich einzuhacken." sagte Trohm.

"Dann schon lieber auf diese Göre."

 

Man muss es kaum noch sagen, es hatte eine Ewigkeit gedauert, bis Trohm Derid dazu gebracht hatte, endlich einen Weg durch das Gestrüpp zu schlagen. Außerdem war es alles andere als ein normales Gestrüpp. Das fein gesponnene Geäst hatte helle, bleiche Farbtöne, keineswegs nur ein und dasselbe grau wie es zuerst von weitem erschienen war. Von der Nähe erinnerte das Geflecht gar an ausgetrocknetes, blankes Gebein, und es hafteten an der meist glatten Rinde gelegentlich metallisch schimmernde Adern.

Sie sehen wirklich nicht besonders einladend aus“, dachte Derid. Es bereitete ihr ziemlich Mühe voran zu kommen. Auf lange Strecken gab es immer dasselbe feingliedrige, dichte Astgeflecht, bis sie wieder plötzlich auf eine weniger dichte Stelle, wie eine kleine Höhle, zwischen den Makantmas stieß, in der Derid immer kurz stoppte und sich zunächst umsah. Nur um enttäuscht festzustellen, dass sie weder den Himmel durchblitzen sah, noch etwas das die Form eines Stamms oder Baumkrone gehabt hätte. Wenigstens konnte sie mit ihrer besonderen, mit Sanit geschärften Klinke selbst knochenharte Äste ohne nennenswerten Kraftaufwand durchschlagen. Aber es gab so viel von diesem Gestrüpp, viel zu viel. Mit einem normalen Schwert hätte sie wohl längst aufgegeben.

"Mir kommt vor, als hacke ich schon seit Stunden auf dieses Zeug ein, und von den angeblichen Pfaden gibt es nicht die winzigste Spur."

Maraygco verbesserte Derid erneut: "Die Pfade existieren, nur scheint es, als wurden sie lange nicht mehr benutzt."

"Wer sollte hier schon Pfade hindurch geschlagen haben, das würde mich interessieren." fragte Derid spöttisch.

"Wesen, die hier seit Jahrtausenden leben." sagte Maraygco und überhörte ausnahmsweise Derids Unterton in der Betonung.

"Das heißt wohl, ich kenne diese Kreaturen nicht und habe auch noch nie eine davon gesehen."

"Das weiß ich nicht. Doch es ist sehr unwahrscheinlich, dass du einer der hier heimischen Kreaturen begegnet bist."

 

"Da sieht man's wieder. Es hat keinen Sinn, zu versuchen von einem Ayrihn eine klare Antwort zu erhalten."

 

"Dann stell ihr bitte eine einfache und klare Frage." gab Trohm zurück.

"Bitte. Ich will's versuchen, um der Einheit Willen. Wie bitte soll ich mir das Aussehen einer solchen Kreatur vorstellen, Maraygco?"

"Das ist schwierig. Sie sehen alle sehr unterschiedlich aus. Sie sind zwar alle von derselben Art, aber dennoch für sich einzigartig. Keines gleicht einem anderen. Sie gleichen einander weniger, als ein Vogel einem Fisch gleicht."

"Dann können sie aber nicht von derselben Gattung sein."

"Sie sind es, und dennoch ist es kaum möglich und höchstens Zufall, wenn sie sich äußerlich ähnlich sind."

"Verstehst du das?" wandte sich Derid an Trohm.

"Maraygco stellt dir ein Rätsel, aber du kannst die Antwort nicht wissen. Sie ist eben wieder nicht fair zu dir. Aber ich glaube, sie redet von Maygwos."

"Was in aller Welt sind Maygwos?"

"Erfundene Kreaturen. Maygwos sind die zum Spaß erfundenen Kreaturen der Ayrihn, und auf diesem Kontinent ist die Heimat dieser Kreaturen. Die Ayrihn schenken selbst ihren harmlosesten Phantasien große Aufmerksamkeit, und sie haben den Maygwos sogar einen ganzen Kontinent überlassen. Hier auf dieser großen Insel werden sie dann zu real existierenden Geschöpfen. Aber letztlich nur solange ein Ayrihn an seine gerade erfundene Kreatur denkt. Wenn ich mich recht erinnere, nennt man diese Inselwelt bei den Ayrihn "Myd"."

"Ihr haltet mich wirklich für sehr ... bescheuert. Warum hör' ich überhaupt noch zu. Was die Ayrihn tun, ist mir so etwas von egal, und erst recht was sie mit ihren Hirngespinsten tun. Ich kann sie nicht leiden, verstehst du."

"Kann ich nachvollziehen." sagte Trohm kurz.

"Und was sollte, das ganze Gerede von diesen Mayg... Maiglöckchen, die hier angeblich existieren. Warum sollte ich das glauben."

 

 

"Ich wusste, dass sie es nicht begreifen möchte. Aber Trohm? Hast du wenigstens verstanden, worum es geht?"

"Kann sein, dass du einem bestimmten Maygwo einen Besuch abstatten möchtest? Ist es so?"

 

Maraygco schwieg. Trohm war aber auch noch nicht ganz fertig. "Und all die Mühe nur deshalb, und was ist, wenn uns jemand hierher gefolgt ist?"

"Uns könnte überall hin jemand folgen."

"Aber wir haben ein Ziel und was bringt uns das für unser Ziel. Was bringt es dir für dein Ziel?"

"Weiß' noch nicht, aber ich dachte, es könnte nicht schaden, einen guten alten Freund zu treffen."

"Ein Maygwo, und wenn es der älteste Maygwo dieser Welt wäre, wird uns nicht helfen können. Wie es Derid so treffend bemerkt hat. Ist ein Maygwo ein Hirngespinst, ein Geschöpf einer müßigen Laune."

"Ich wusste, du wärst dagegen."

"Dein Vater wäre auch dagegen gewesen."

"Das kannst du nicht wissen."

"Nun gut, wir sind da, was soll's, dann besuchen wir eben deinen alten Freund."

 

Derid hatte mittlerweile ein freundliches Grinsen aufgesetzt. Maraygco hatte es bemerkt, dass sie von ihr beobachtet wurde und starrte auffordernd zurück.

"Es tut mir einfach gut, wenn sich herausstellt, dass du Mist baust. Wenn einer dieser Ayrihn, die sich für allmächtig halten, Mist baut. Das gefällt einem fast machtlosen Geschöpf wie mir. Das find ich einfach schön. Danke Trohm, auch wenn du nur ein Trohm bist. Danke, und jetzt will ich endlich einen dieser Pfade sehen, von denen du geredet hast."

"Wir befinden uns bereits auf einem solchen Pfad, und wenn du dein kümmerliches Gehirn benutzen würdest und deine Augen aufgemacht hättest, hättest du es längst bemerkt."

"Fantastisch, und warum ist dann überall um uns Dickicht. Jetzt noch dichter, störrischer und undurchdringlicher? Diese dämlichen Makantmas haben wohl vergessen, dass sie die Pfade erst machen müssen. Außerdem frage ich mich schon die längste Zeit, wieso ich keinen einzigen Ast angetroffen habe, der dicker ist als mein Unterarm."

Maraygco kümmerte sich nicht mehr um Derids Geschwätz und drehte sich weg.

"Du wolltest ja unbedingt zu deinem guten alten Maiglöckchen." stichelte Derid weiter.

"Trohm", sagte Maraygco vorwurfsvoll, "du hättest ihr das mit den Maygwos nicht sagen sollen."

"Hab' ich aber, und ich weiß absolut, warum ich's tat. Aber ich sehe ganz andere Schwierigkeiten vor uns, denn ich fürchte die Makantmas erkennen dich nicht wieder, und wir werden eine Ewigkeit brauchen, bis wir an unserm Ziel sind." warf Trohm ein.

"Das habe ich schon längst bemerkt. In diesem Körper akzeptieren sie mich nicht. Das ist wohl die einzige Erklärung." stimmte Maraygco zu. "Ich hoffe jedenfalls, dass es die einzige Erklärung ist."

"Aber wir brauchen die geheimen Pfade, du musst die Makantmas dazu bringen zurückzuweichen."

"Mir sind meine Hände gebunden, Trohm und du weißt das."

"Warum sollten dumme Apparaturen oder Bäume für jemanden einen Pfad öffnen, darum geht es doch, oder? Warum sollten sie es denn überhaupt tun?" fragte Derid erstaunt; Und ein weiteres Mal war es Trohm der nicht müde wurde Derids Fragen zu beantworten. "Weil sie ein Ayrihn ist und weil sie zurückgekehrt ist." sagte er.

"Oh natürlich, wie konnte ich daran nicht denken. Aber vielleicht haben die Makantmas vergessen, wo sie einen Pfad hätten freilassen sollen, oder sie mögen Maraygco nicht. Hast du schon einmal daran gedacht. Vielleicht haben sie diese verwöhnte Göre auch nie gemocht und waren froh, dass sie weg war."

 

Maraygco hatte große Lust etwas zu sagen, aber dann hätte Derid damit ewig weitergemacht. Sie war sich sicher, sie würde den Grund, warum die Makantmas ihrer sachten Aufforderung nicht nachkamen noch herausfinden, spätestens dann, wenn sie im Lager ihres alten Freundes angekommen waren.

 

Unter den Makantmas war es stets dunkel, und Derid musste sich noch Stunden durchs dichte Unterholz schlagen. Ohne ihre allgegenwärtig grün leuchtende Aura wäre es mehr als nur düster gewesen. Der Licht überflutete Strand war ja längst gänzlich außer Sicht und auch längst vergessen. Es war Maraygco, die letztlich eine Pause befahl. Sie legte sich hin und schlief. Sie hatten gar nicht bemerkt, dass es Nacht geworden war.

 

In der kleinen Höhle unter den Makantmas, wo sie ihr Lager bezogen hatten, war es weder zu kühl noch zu heiß, eigentlich war es sogar irgendwie gerade richtig angenehm warm, wie in einem gut geheizten Zimmer; weder feucht, noch dreckig, und der Erdgrund war bedeckt von losem, weichen Sand und vollkommen Ungeziefer frei. - Seit Derid vor einiger Zeit verwandelt worden war, brauchte sie keinen Schlaf mehr, und Trohm schlief auch nicht. Trohme konnten sich entscheiden, ob sie schlafen wollten, oder für Monate einfach darauf verzichteten, und bei der Nahrungsaufnahme hatten sie dieselbe Freiheit.

Trohme waren ohnehin für viele sehr rätselhaft. Es hieß, alle Trohme waren einst Menschen. Die meisten, die zu einem Trohm geworden waren, konnten sich aber an ihre eigene Vergangenheit kaum noch erinnern. Es hatte wohl irgendwas mit ihrer Trohm-Natur zu tun. Trohme galten als Seher. Dass man zu jedem aus ihrer Art (und das wirklich ausnahmslos) bloß „Trohm“ sagte, und sie keine anderen Namen hatten, lag vermutlich daran, dass die Ayrihn die meisten von ihnen solange traktiert hatten, bis sie ihre uniforme Bezeichnung als einzigen Namen akzeptierten.

 

So saßen sie einander gegenüber; Während Maraygco zu ihren Füßen schlief, waren Derid und Trohm mit sich selbst beschäftigt. Sie waren aber nur die Mitreisenden auf einer Mission mit unbekanntem Ziel. Irgendwann schließlich unterbrach Derid die Stille.

"Ist es dir schon aufgefallen. Es gibt keine Geräusche in diesem Wald."

"Es gibt Geräusche, wir hören sie nur nicht." verbesserte Trohm. „Doch was es in einem Makantma Wald tatsächlich nicht gibt, sind Gerüche. Die Makantmas filtern ständig sämtliche schwebende Stoffe aus der Luft, noch bevor man sie riechen könnte. Schlechte wie Gute, und den gesamten Staub, gleichfalls die Flugsamen anderer Pflanzen natürlich. Deshalb wachsen dort, wo Makantmas sind, auch nie andere Pflanzen.“

"Ich kenne dich inzwischen, du willst immer alles besser wissen."

"Das liegt daran, dass ich ein Trohm bin. Wir Trohme wissen einfach mehr als andere."

"Gut, wenn das so ist, welche Geräusche könnten wir den hören, wenn wir sie hören könnten?"

"Das Atmen der Makantmas zum Beispiel. Aber wir könnten sie besser hören, wenn sie Luft auf selbe Art atmeten, wie sie Energie atmen. Die Luft strömt bloß durch ihr dichtes Geflecht, während sie die energetischen Partikel tief in ihre mächtigen dicken Stämme hinein ziehen. Die Energie von Lichtstrahlen verschlucken sie gierig, nach noch kleineren und noch schnelleren Energiepartikeln schnappen sie sogar. Sie sammeln sämtliche Arten von überschüssigen Energien, die von keinem Wesen mehr benutzt wird. Sie sammeln sie und leiten sie zurück in eine Art universellen Speicher. - Du willst jetzt wissen, woher ich das weiß. Die Makantmas flüstern es mir zu, ich kann es hören und niemand sonst kann es hören.

"Schön, wie du willst." sagte Derid. Sie hatte jetzt genug gehört über Ayrihn-Kram. "Und von wegen Makantmas und dicke Stämme", dachte sich Derid leise für sich, "Sie hatte sich schon beinah eine Meile durch diesen doofen Wald gekämpft und hat's ja selbst gesehen."

 

Stille kehrte wieder ein, sie dauerte eine ganze schöne, satte und geruchlose Weile.

 

 

Fortsetzung folgt...