total fantasy forever by Adiga/thm28, ©2007

Teil 2 - Beschworene Pfade

 

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Nur Derids grünlicher Auraschein, erhellte das Nachtlager Mitten im Nirgendwo des Dickichts. Trohm saß einfach nur so da und lauschte in die lautlose Nacht. Fast so, als bemerke er in der geruchlosesten Dunkelheit noch manch Amüsantes, begann er mitunter plötzlich unaufgefordert zu grinsen, blickte Augenblicke später wieder ebenso grundlos besorgt und dann wieder gleichgültig, als hätte er gefunden, was ohnehin zu erwarten wäre. Derid konnte ihn bei seinem Tun über Stunden beobachten und sie verstand diesen namenlosen Trohm an Maraygcos Seite trotzdem nicht. Manchmal wirkte er im grünen Licht verblasst, als würde er zwischenzeitlich weniger. Besonders in Phasen, wo niemand mit ihm sprach und er in Gedanken für sich allein war. - Alles, was Derid über diese herum ziehenden Einzelgänger wusste, reichte nicht aus, um aus Trohm schlau zu werden.

Hätte er längere Zeit unter den Menschen gelebt, würde er wenigstens einen Beinamen bekommen haben, wenn auch vermutlich einen ganz grässlichen.

 

Derid hatte es erlebt, wie Trohme lebendig gehäutet wurden, nur weil sie das waren, was sie sind. Sie hatte Trohme mit leuchtenden Wucherungen am Gesicht gesehen, Trohme mit fahler, grauer Haut, die so aussahen, wie sich andere wandelnde Leichen vorstellten. Es gab welche denen Gliedmaßen fehlten und andere, die sogar Löcher in ihren Körpern hatten, in denen sie mitunter Tiere hausen hatten, so wie man einen Hamster in einen Käfig steckte. Die unwahrscheinlichsten Trohme gab es aber nur im Askor und vielleicht war sogar Derids alter Freund Yegjo, der keine Augen hatte, und dies hinter einer dunklen Brille verbarg, einer von ihnen. Ja, diese Trohme, sie waren Derid ein Rätsel;

Einzelwesen waren sie. Man sah nie zwei zusammen, außer sie wären von anderen zusammengekettet worden. Sie galten als Boten des Unheils, und wurden mancherorts richtiggehend gefürchtet, doch Derid fürchtete sie nicht. Sie fand sie wären bloß armselig. So wie man sie zurichtete und wie sie sich oft selbst zurichteten.

 

Trohm nahm keine Notiz von Derids intensiver Beobachtung, und er unterhielt sich weiterhin ganz prächtig bei seiner trohmischen Art in Gedanken zu schwelgen. Derid empfand diese totale Stille um sie herum ja nur noch als beklemmend, und der ewig eintönige Ausblick auf Makantma-Geflecht schmerzte bereits ihrem ansonsten robusten Gemüt. Es gab keinen Luftzug, und kein Blätterrauschen, nicht einmal krabbelnde Viecher und diese verdammten Nicht-Bäume wussten wahrscheinlich nicht einmal was Blätter waren.

 

Und plötzlich gellte ein Schrei durch die Nacht; tief, lang und laut. Für Derid klang es eindeutig blutrünstig, und es kam von hoch droben. Sie schreckte zusammen und duckte sich instinktiv.

"Was ist das?" flüsterte sie.

Trohm stand auf und lauschte. Ein einsamer, lang gezogener Schrei einer Kreatur; Es klang wie, wenn ein Vogel versuchte zu heulen wie ein Wolf, aber weil er so groß war wie ein Wal und in seiner Brust ein Feuer loderte, heiß wie in der Hölle, klang es nicht wie jaulender Gesang, sondern wie das flackernde Inferno einer Kreatur geboren aus geschmolzenem Stein. Mit Sicherheit war es kein Angriffsgebrüll, sondern mehr ein Morgengruß, und letztlich unlebendig. Eine unbekannte Kreatur, deren Schrei hinter einer Wand aus undurchdringbarem Makantma-Geflecht verstummte. Zwischen ihrem Nachtlager und dem freien Nachthimmel waren wahrscheinlich mehr als hundert Fuß von diesem Geflecht, und der Schrei kam aus großer Höhe. Es brauchte sie also nicht wirklich zu kümmern, von welcher Kreatur der Schrei stammte. Trohm wusste nun über die Natur der Kreatur Bescheid, denn ein Schrei genügte ihm längst. Dem Klang nach hätte er die Kreatur als Riesen-Ameisenvogel aus Feuer bezeichnet und er versuchte sich vorzustellen, was er bisher noch nie gesehen hatte, und zum ersten Mal gehört. Plötzlich schnappte Trohm noch etwas auf. Der Kreatur folgte der merkwürdige Geruch von Partikelspuren, die nur aus der Randzone stammen konnten, aus dem Pritex. Sais-Partikelspuren in ihrer gefährlichsten Reinheit, ein Geruch, der Trohm sagte, „Ich bin vernichtend für jedes Wesen, außer jenen, die bereits durch die Grenzen des Magc gegangen sind. Trohm ließ sich von den Sais-Partikeln eine Warnung ins Ohr flüstern: „Du bist noch nicht bereit, also kehre um.“

Der Schrei wiederholte sich ein weiteres Mal, um vieles leiser und bereits gedämpft durch eine große Entfernung. Was immer es war, es war weiter gezogen. Schließlich sagte er: "Es muss etwas gewesen sein, was fliegen kann. So wie es klang, war es groß und schnell. Ich würde sagen, sehr groß sogar. Ich bin froh, dass wir unter den Makantmas sind und wir es nicht gesehen haben." Sagte Trohm.

"Ich kann mir nicht vorstellen, dass das bloß ein Tier war?" entgegnete Derid fragend.

"War es auch nicht. Hier draußen existiert bestimmt nichts Lebendiges, was man einfach als Tier bezeichnen könnte. Aber ich spüre, dass mehrere von diesen Dingern unterwegs sind."

"Mehrere?"

"Es sind wahrscheinlich genug, um so ziemlich alles zu verwüsten, was es auf diesem Kontinent gibt, nehme ich an."

"Wir sollten sie aufwecken!" Derid streckte ihre Hand aus, um Maraygco wachzurütteln. "Immerhin ist sie ein Ayrihn, und kennt sich mit unnatürlichen Geschöpfen aus, auch wenn sie nicht aussieht wie ein Ayrihn."

"Das ist nicht notwendig." hielt Trohm sie auf.

"Aber sie könnte uns sagen, was das für Viecher sind, und ob sie gefährlich sind!"

Trohm hielt Derid ein weiteres Mal auf.

"Maraygco könnte uns vermutlich nur sagen, ob die Ayrihn einen Namen für diese Geschöpfe kennen. Das könnte sie, ja. Dass es gefährliche Geschöpfe sind, spüre ich selbst, und außerdem ist dieses eine Exemplar nun fort und wird aller Wahrscheinlichkeit nach nicht zurückkommen. Diese Kreaturen brauchen uns also nicht länger zu kümmern."

"Aber mir wäre wohler."

"Zu deiner Beruhigung kann ich noch sagen, Wenn wir in Gefahr gewesen wären, wäre Maraygco vermutlich bereits vor dem Schrei aufgewacht.“

 

Derid setzte sich wieder hin, und sofort wurde das Nachtlager wieder von dieser absoluten Stille umhüllt. Maraygco atmete beinah unhörbar leise. Derid spürte sogar ihr eigenes Herz klopfen und mitten in diese Stille sagte sie hinein: "Ich hasse diese absolute Stille."

Trohm reagierte nicht darauf. Eine weitere Weile verging, in der niemand etwas sagte, und sie sich kaum bewegten. Wieder war es Derid, die als erste den Mund aufmachte.

"Irgendwie ist das komisch. Sie schläft und wir sind wach und warten; und warten bis sie ausgeschlafen ist. Immerhin ist sie von ihrem ersten Moment an eine Unsterbliche, nehme ich an. Es ist doch bestimmt nicht normal, dass ein Ayrihn schläft."

"Da liegst du ausnahmsweise vollkommen richtig. Es ist nicht normal. Maraygco ist mit höchster Wahrscheinlichkeit, der einzige Ayrihn mit einem absolut menschlichen Körper. Einem, der so ursprünglich und unverändert ist, dass sie ihrem Körper die Zeit zum Schlafen geben muss."

"Und warum besitzt sie nicht einen Ayrihn-Körper? Wie alle anderen Ayrihn auch?"

"Das kannst du natürlich nicht wissen, aber sie darf keinen besitzen."

"Wer sagt das?"

"Die Gesetze ... der Ayrihn."

"Sag mir nichts über Ayrihn-Gesetze, die sind vollkommen irre, unmenschlich, und sie sind so unlogisch, dass kein Mensch sie verstehen könnte!"

"Trotzdem, Maraygco darf keinen Ayrihn-Körper besitzen. Deshalb muss sie in diesem Mädchenkörper sein, und wenn sie diesen Körper verlöre, wäre sie nirgendwo."

"Das kann ich mir nicht vorstellen, und bei einem Ayrihn schon gar nicht."

"So ist es aber. Maraygco bezahlt einen hohen Preis dafür, was sie noch nicht einmal ist."

"Das klingt fast so, als wäre sie von ihren eigenen Leuten bestraft worden."

 

"Schlimmer noch, Derid, viel schlimmer. Noch bevor Maraygco geboren war, entzog man ihr bereits das Recht jemals einen Ayrihn-Körper zu besitzen. Man wollte damit verhindern, dass es Maraygco überhaupt gibt; und wieso wirst du gleich fragen, wieso machen die Ayrihn etwas so Grausames mit ihren eigenen Leuten, die nichts verbrochen haben."

"Ja, wieso machen sie so etwas?"

"Sie bestraften damit Maraygcos Vater, er war manchen zu mächtig und sie sagten, es ihm offen ins Gesicht. Du bist uns bereits zu mächtig, sagten sie, aber weil wir deine Macht nicht mehr schmälern können, vernichten wir eben dein Geschöpf. Sie hätten nicht einmal zu denken gewagt, damals, zu jener Zeit als Maraygco noch nicht existierte, dass dieses Geschöpf einen fraulichen Charakter bekommen sollte; Maraygcos einziges Verbrechen ist, könnte man sagen, sie wäre ihres Vaters Geschöpf geworden und jetzt ist sie nicht einmal mehr das."

"Das ist doch absurd."

"Deshalb entstand Maraygco von Anbeginn im Geheimen, auf Myd, wo ansonsten nur die Hirngespinste der Ayrihn existieren. Ihr Vater erdachte sich seine Tochter, er wusste ja nur zu gut, dass er auf einem anderen Weg nie eine ganz reale Tochter erschaffen könnte. Maraygco lebte also hier unter den Makantmas, bei den Maygwos, wie ein Maygwo und unter denselben Bedingungen wie ein Maygwo. Jahrzehnte lang; und bald war sie der am längsten existierende Maygwo; Damals sah sie einem Ayrihn zumindest ähnlich.

Doch eines Tages kamen die anderen Ayrihn dahinter und sie forderten ihren Vater auf, Maraygco einer lückenlosen Prüfung zu unterziehen. Zum Schein versprach man ihm, wenn seine ungeborene Tochter den Anforderungen entspräche, bekäme sie die Lizenz ein Ayrihn zu werden und die Möglichkeit würde ihr offen stehen in die Gesellschaft der Ayrihn aufgenommen zu werden, doch das sagten sie im Grunde nur, damit er seine Tochter auslieferte. Sie hatten in Erfahrung gebracht, dass Maraygco mehr war als ein gewöhnlicher Maygwo. Sie wussten, sie hatte im verborgenen, teils unter anderen Bezeichnungen, an etlichen geheimen Tests teilgenommen, ebenso eignete sie sich durch einige abgeschlossene Ausbildungen bereits begehrte Zertifikate an, die es ihr einst ermöglichen würden ein vollwertiger Ayrihn zu sein; Aber genau das wollte man unmöglich machen. Maraygco sollte eigentlich überhaupt nie irgendein Ayrihn-Wissen besitzen und ihr Vater sollte auch nicht die Arbeit an seinem Geschöpf fortsetzen können, weder offen noch im Verborgenen. Deshalb holten sie Maraygco zu sich, natürlich um sie endgültig und für immer auszulöschen. Damit wollten sie ihrem Vater eine Lektion erteilen, die er nie mehr vergessen sollte.

Die Ergebnisse der Prüfung spielten keine Rolle. - Aber Maraygco wurde immerhin getestet, weil sie doch neugierig waren, was Maraygco geworden wäre, wenn sie ihre Entstehung zugelassen hätten. Die Gegner setzten sich durch, dass heißt, es gab welche, die Maraygco gerne vollendet gesehen hätten. Aber der Beschluss, Maraygco für ewige Zeiten auszulöschen, war nicht mehr aufzuhalten. Sie ließen sie nach Myd zurückkehren. Sie war bereits markiert für die Auslöschung, doch hatten sie es ihr nicht gesagt. Ihr Vater musste ihr die Nachricht selbst überbringen. Vier Tage hatte sie Zeit sich auf dieses endgültige Ereignis vorzubereiten.

 

Du siehst, wie fair sie zu ihr waren, und wie mutig sie es ihr selbst gesagt hatten. Ja, und sie schickten keine Soldaten, und auch kein spezielles Hinrichtungskommando. Sie aktivierten bloß eine automatische Löschroutine, die ihre körperliche Existenz in fließende Partikel auflöste, die Makantmas machten den Rest und neutralisierten ihre Signatur.

Das geschah vor hundertfünfundzwanzig Jahren und das war natürlich noch längst nicht alles. Weiter gingen sie daran jede weitere Möglichkeit einer möglichen heimlichen Existenz mit allen Mitteln zu unterbinden. Ihr Vater musste sich einer fortwährenden Gedankenkontrolle unterziehen, damit er nicht weiter an seine erdachte Tochter dachte, und als ihnen das zu mühsam wurde, zwangen sie ihm unter Beobachtung seine Schöpfung in seinen Gedanken zu exekutieren und Maraygcos Namen zu vergessen - und zuletzt auch noch die Auslöschung ihrer ganzen ausgelöschten Existenz. Er musste alles vergessen. Sie wollten für alle Zeit sicher sein, dass Maraygco selbst in ihres Schöpfers Phantasie und Gedanken vernichtet war. Damit waren sie dann erstmals zu frieden, aber noch nicht ganz.

Ein Ayrihn strebt, wenn es möglich ist, immer einen totalen, absolut endgültigen, unumkehrbaren Zustand an. Was das bedeuten kann, musstest du ebenso bereits spüren wie viele andere, aber sie verschonen sich selbst auch nicht. Daher löschten sie einige Zeit später aus ihren eigenen Erinnerungen auch die Erinnerung an Maraygco. - Heute kann sich kein Ayrihn daran erinnern, wie diese Ungeborene aus ihrem eigenen Volk geheißen hat und das kommt ihr jetzt erstmals zu gute."

Derid war vorerst sprachlos.

"Natürlich hatte ihr Vater einige Vorsichtsmaßen getroffen, bevor er seine, man kann durchaus sagen, seine geliebte Maraygco den Wölfen zum Fraß vorwarf, sonst wäre Maraygco jetzt nicht hier."

"Ich gebe zu, diese Geschichte geht leicht über die Grenzen dessen, was ich mir vorstellen kann. Ich verstehe nicht ganz, dass sie einen derartigen Aufwand betrieben, um einen einzelnen bereits verhinderten Ayrihn auch noch gänzlich auszulöschen, ist das nicht eine Spur übertrieben?"

"Es entspricht der Ayrihn-Logik, es sollte dich also nicht verwundern. Aber ist es nicht ein Wunder, dass Maraygco trotz dieser zahlreichen Hindernisse jetzt hier schläft; Sie ist ein Ayrihn und doch ist sie es nicht. Statt wahre Unsterblichkeit zu besitzen, ist sie gebunden an dieses schwache Äußere. Aber zugleich ist sie schon jetzt eines der unfassbarsten, merkwürdigsten, aber wahrscheinlich auch eines der schrecklichsten und faszinierendsten Wesen des Magc überhaupt und was wir hier sehen, ist eben nur ihre momentane Hülle. Ihr wirkliches Wesen erscheint erst bei ihrer Vollendung, und dennoch hat diese vollendete Maraygco schon ein winziges bisschen zu existieren begonnen. - Und ich kann dir sagen, sie ruht niemals. Ebenso wenig wie du. In jedem Augenblick wacht sie über diesen geborgten Körper."

 

Derid fühlte sich wie erschlagen. Sie betrachtete Maraygco und es fiel ihr schwer zu atmen.

"Was soll ich jetzt über Maraygco denken, dass sie ein verhinderter Ayrihn ist, und ebenso ein vernichtetes Maiglöckchen, und dass sie zum Teil sogar menschlich ist?"

"Wenn du willst. Doch ich betrachte sie lieber als das, was man auch als die weggeworfene Zukunft der Ayrihn bezeichnen könnte. Sie werden sie noch bitter nötig haben und nicht nur die Ayrihn, ich spreche von uns allen."

"Was meinst du damit?"

"Nichts, nur dass die Ayrihn, einen großen Fehler machten, als sie dachten, sie hätten Maraygco für immer ausgelöscht."

"Das hat sich aber gerade anders angehört."

"Derid, das hat sich bestimmt nicht anders angehört; Habe ich’s nicht erwähnt. Oh - ich denke, ich habe es vergessen. All zu viel Information ist gefährlich, Derid."

"Aber ich weiß jetzt überhaupt nicht mehr, ob ich Maraygco überhaupt noch böse sein kann! Du hast mir zwar viel erzählt, doch ich wollte Klarheit!"

"Klarheit?"

"Ich seh’s ja ein, dass ich sie falsch eingeschätzt habe."

"Das kannst du laut sagen, ich meine es wäre angebracht sich bei Maraygco zu entschuldigen, für alles, was du ihr in den letzten drei Wochen an den Kopf geworfen hast."

"Gut, es war ungerecht, dass ich sie eine verwöhnte Ayrihn-Göre und all das schimpfte. Ich hab mich eben an der Falschen zu rächen versucht."

"Wie du jetzt siehst, gehört sie bestimmt nicht zu jenen, die dich beinah in eine Ebene-9-Verbannung abgeschoben hätten."

"Es tut mir auch leid, dass ich ihr schon von dem Tag an, wo ich noch nicht einmal ihren Namen richtig aussprechen konnte, mein Schwert in ihren Leib rammen wollte. Aber sie war auch nicht gerade nett zu mir."

"Wenn du ihr verzeihst, verzeiht sie dir auch. So gut kenne ich sie."

"Aber wie geht es jetzt weiter?"

"Nachdem ihr Vater alles getan hat, was er noch für sie tun konnte, müssen wir jetzt Maraygco helfen. Sie muss sich jetzt eine legale Existenz als Ayrihn erwerben, bis sie diese nicht besitzt, ist sie in höchster Gefahr."

"Ich nehme an, jeder der ihr Geheimnis kennt, könnte sie auch an die Ayrihn verraten."

"Dann ist es ja ganz gut, dass nur wir drei und ihr Vater dieses Geheimnis kennen. Dann hat sie doch eine gute Chance. Meinst du nicht."

"Du weißt genau, dass Maraygco mir nicht vertrauen würde, warum erzählst du mir dann alles, jedenfalls genug um ihr Schaden zu können?"

"Ich weiß, was ich getan habe, und ich kenne dich, glaube ich, gut genug, um zu wissen, dass du dich sehr bemühen wirst, deinen Hass gegen sie zu begraben."

"Aber..."

"Derid; Ich möchte, dass ich auf dich zählen kann. Du spürst um wie viel es geht, und du hältst nicht viel davon, auf jemanden einzuschlagen, der am Boden liegt."

"A..a..aber.."

"Nein, kein ABER; Du und ich. - Wir beide, wir werden Maraygco dabei helfen, dass zu werden, was sie verdient hat zu sein und wir werden den Ayrihn beweisen, dass man so etwas Kostbares wie Maraygco nicht einfach kaputt macht. Weil außer uns beiden, gibt es niemanden, der sich für sie einsetzen würde."

"Meinst du das im Ernst. Ich soll helfen einer Ayrihn eine legale Existenz zu beschaffen? "

"Du siehst doch selbst: In ihrer Lage ist es keine Kleinigkeit zu entscheiden, wem man vertrauen kann und wem nicht!"

"Ich weiß nicht, ob ich für so eine Sache jemals bereit sein kann."

"Ich hab' vollstes Vertrauen zu dir. Ich kann es spüren, du wirst dich sogar sehr bemühen nützlich für sie zu sein. Du wirst dich darum von jetzt an auch freiwillig um sie kümmern."

"Meinst du?"

"Oh ja, davon bin ich überzeugt."

"Ich weiß, man hat ihr ziemlich unrecht getan, dass sehe ich ein. Sie wurde von ihren Leuten wirklich vernichtet und ganz grundlos noch dazu."

"Ich höre diesmal gar kein ABER!"

"Aber warum gerade ich?"

"Weil du Erfahrung darin hast, den Ayrihn einen Schritt voraus zu sein, oder denkst du wir hätten, dich mitgenommen, dass du uns auf die Nerven gehst?"

 

Derid schaute plötzlich abwesend gerade aus. Plötzlich begann es bei ihr zu dämmern. Sie erkannte Zusammenhänge und sie begann sich Fragen zu stellen: Über die Ereignisse der letzten Wochen. Trohm gab ihr die Zeit, die sie benötigte.

Derid begann zu ahnen, wie sehr sie sich in Maraygco und ihren unscheinbaren Begleiter getäuscht hatte. Vor sechs Wochen war sie dieser Maraygco zum ersten Mal begegnet und sie hatte nicht den leisesten Verdacht gehegt, Maraygco könnte zu ihren schlimmsten Feinden gehören. Bis jetzt hatte Derid immer gedacht sie wäre von allein hinter ihr Geheimnis gekommen, doch jetzt sah es plötzlich so aus, als hätten Maraygco und Trohm es geplant gehabt; Sie wollten das Derid auf sie aufmerksam wurde. Jede andere Sicht ergab keinen Sinn mehr. Es war ihre Absicht gewesen. Sie, Derid, sollte Maraygcos Geheimnis erkennen, während es den Ayrihn verborgen blieb. Aber warum geschah es ausgerechnet in Gamien Lad, wo so viele Ayrihn gewesen waren. Es gab vermutlich keinen unsicheren Ort für so ein gewagtes Unternehmen. Derid stand nun vor einem größeren Rätsel als zuvor. Wieso ausgerechnet so nah bei der größten Gefahr.

"Die Antwort, Derid, manchmal kommt man nicht umhin das

Unmögliche zu wagen." Trohm hatte all ihre Gedanken verfolgt.

"Ich versteh's trotzdem nicht."

"Wir brauchen dich, wahrscheinlich mehr, als uns jetzt schon bewusst ist; und ausgerechnet dich..."

"Das schaffen bei mir nicht viele."

"Was?"

"Das weißt du doch ganz genau."

"Nein, ich weiß es nicht. Das musst du mir schon erklären."

"Du bist eben ein Trohm."

"Habe ich dich um den Finger gewickelt, wie man das so sagt. Es ist mir also gelungen, dein verhärtetes Herz zu erweichen und in der großen, unbesiegbaren Derid ein erstes kümmerliches Anzeichen eines menschlichen Gefühls auszulösen. Das tut bestimmt sehr weh. - Aber ich werde dich nicht so schnell wieder überfordern. Vorerst verlange ich auch nur, dass du mit uns kommst, ohne dass wir dich zwingen müssen wie eine Gefangene, und ich verlange vorerst nur, dass du dich darauf vorbereitest Maraygco zu unterstützen; Gewöhne dich an deine neue Aufgabe. Aber eines verlange ich schon jetzt ganz bedingungslos: Verrat ist für dich ab sofort keine Alternative; Weder jetzt noch in Zukunft."

"Das ist aber schon eine ganze Menge?"

"Billiger gibt's uns nicht; Und eines noch, wenn du jetzt zu uns hältst, dann wirst du am Ende sagen können von Anfang an auf der richtigen Seite gestanden zu haben, und viele werden dich darum beneiden, und sie werden sich wünschen, sie wären heute hier an deiner Stelle gewesen."

"Das sagst du nur, damit ich endlich nachgebe. Aber wenigstens sagst du nicht, dass ich Freunde bitter nötig hätte."

"Beste Derid, das haben wir doch alle. - Lassen wir es gut sein. Ich sehe, dass sich etwas verändert, jetzt muss jeder über das, was gesagt wurde nachdenken."

 

Derid richtete sich auf. Der Morgen war noch ein ganzes Stück entfernt; Magc-Nächte waren schon für sich allein betrachtet nicht gerade die hellsten Ereignisse. Sterne fehlten am Himmel sowieso, und nur die Legenden von den herabgestürzten Sternen existierten noch. Wenn man ihnen glauben schenken möchte, wären die einzigen Sterne, die es je zu sehen gab, schon vor ewiger Zeit verschwunden. Derids grünlicher Auraschein war also wirklich das einzige Licht, was sich am Dickicht widerspiegelte. Trohm vermutete, dass Derid sich entfernen wollte, einfach um allein zu sein.

"Wenn du willst, kannst du die Gruppe verlassen, doch ich rechne damit, dass du wieder kommst."

"Du lässt mich gehen?"

"Viele Möglichkeiten hast du ohnehin nicht."

Derid zog ihr Schwert. "Ein gutes Schwert, sagte sie, "Ich preise den Tag, an dem ich es bekam. - Ich werde, denke ich, unseren Weg ein Stück voranbringen."

 

Derid begann auf das Dickicht einzuschlagen. Selbst nach einiger Zeit war sie noch nah genug, um ihre Schläge zu hören. Derids grüner Schein war natürlich nicht bei Trohm und Maraygco geblieben. Er drang immer spärlicher aus dem neu geschlagenen Tunnel, während sich die Geräusche brechender Äste immer weiter entfernten. Nach mehreren Stunden waren sie längst nicht mehr zu hören. Trohm spürte, dass es Morgen geworden war.

Als Maraygco erwachte, breitete sich ein spärlicher, fahler Lichtschein aus. Mehr drang selbst am grellsten Tage nicht unter die Makantmas. Maraygco streckte und räkelte sich und setzte sich schließlich auf, während Trohm nachdenklich an ihrer Seite saß.

"Guten Morgen", sagte sie, "mein Körper fühlt sich ganz OK an, würde ich sagen."

"Ja, er ist in Ordnung. Aber er braucht Flüssigkeit, du solltest jetzt etwas Trinken."

Trohm gab Maraygco ihren Rucksack. Maraygco öffnete ihn, griff hinein und holte ein großes Glas klares Wasser heraus. Als hätte es so bereits darin gelegen. Sie trank das Glas leer und steckte das Glas zurück in den Rucksack.

"Möchtest du auch eines? Du weißt, für dich hätte ich immer eins."

"Und du weißt, dass mir davon schlecht wird."

"Ich würde dir aber ein neutrales Glas Wasser geben, ohne meine energetische Signatur, meine ich."

"Das ist nicht notwendig. Ich will ohnehin lernen, jedes Verlangen zu vergessen."

"Wie du denkst. - Ich glaube, mein Körper verspürt gerade Appetit auf ein großes Stück Käsebrot."

 

Maraygco fasste in den Rucksack und holte ein fertiges Käsebrot heraus. Es war so frisch, als wäre es soeben gemacht worden. Mit kühler Butter die gerade auf backwarmes Brot gestrichen worden war und ein paar hauchdünn geschnittenen Käsescheiben. Maraygco brach das große Stück in der Mitte durch und legte die eine Hälfte auf ihren Oberschenkel, während sie die andere Hälfte aufaß.

"Wie ich sehe, hast du Derid eingeweiht. Du hast sie vermutlich genau beobachtet und gesehen, dass sie bereit ist, nehme ich an, und sie wird uns nicht verraten."

"Natürlich habe ich sie nicht in alles eingeweiht, sondern nur in so ein bisschen. Jetzt denkt sie nach. Sie denkt vor allem über die letzten Wochen nach, wie sie dich kennen gelernt hat, wie sie dich damals gesehen hat, als sie noch nicht wusste, was du bist. Sie versucht zu verstehen, was damals in Gamien Lad wirklich passiert ist und wie es dir gelungen ist, dass niemand die ganze Zeit über deine Identität aufgedeckt hatte. Aber vor allem versteht sie nicht, wieso du überhaupt dort warst. Sie kann nicht erkennen, welchen Grund du hattest, dich einer solchen Gefahr auszusetzen."

"Daran denkt sie? Kann sie nicht an etwas anderes denken!?"

"Sie ist eben klug; sie sieht ganz schnell, wo eine Sache am meisten kränkelt."

"Du wirst ihr den wahren Grund aber natürlich nie verraten."

"Wir hätten nicht die Zeit, ihr all das zu erklären und die ganze Wahrheit würde sie nur verwirren und vielleicht würde sie dadurch sogar den Glauben an sich selbst verlieren und sie wäre dann nicht mehr so stark wie jetzt. Niemals könnten wir ihr dann noch vertrauen. Aber wir müssen ihr natürlich irgendeine Art von Erklärung geben. Jedenfalls wird sie uns erst vertrauen, wenn sie eine Erklärung dafür hat."

"Klingt kompliziert. Aber du hast bestimmt schon einen Plan."

"In der Theorie."

"Ich hoffe, du willst ihr nicht zu viel erklären."

"Ich versuche, ihr nur soviel zu erklären, dass sie uns vertraut, und ich werde versuchen aufzuhören, bevor sie verrückt wird. Am liebsten würde ich ihr aber auch gar nichts mehr verraten, höchstens sie vermutet etwas."

"Was soll denn das für eine Theorie sein, bitte. Warum manipulierst du sie nicht einfach, wie es Trohme immer tun."

"Was? Vielleicht, bis ich sie um ihren Verstand gebracht habe."

"Ja, du manipulierst sie einfach, und sie wird uns vertrauen, letztlich kannst du gar nichts anderes tun, und du tust auch nichts anderes, selbst wenn du glaubst, du tätest etwas anderes."

"Nein, das tue ich nicht."

"Doch, du bist ein Trohm, und eines habe ich von meinem Vater über Trohme gelernt: Ein Trohm manipuliert immer. Höchstens du bist stark und kannst ihn aus deinen Gedanken fernhalten."

"Der Ausspruch könnte auch von Khé stammen und vermutlich hat ihn dein Vater auch von Khé."

"Das ist doch egal. Fakt ist: Trohme manipulieren immer, ob sie es wollen oder nicht. Sieh dich selbst an. Du bist das beste Beispiel dafür. Du weißt doch nicht einmal, wer du vor sechs Wochen noch warst; Wer hat also gewonnen, das Trohm, oder wer du vorher warst. Es ist in dich eingedrungen und hat sogar deine Erinnerung an dich selbst restlos ausgelöscht. Das nenne ich die perfekte Manipulation."

"Aber ich handele jetzt noch immer nach den Erfahrungen, die mein früheres ich gemacht hat. Seine Prinzipien sind noch immer meine Prinzipien. Was er als Recht und Unrecht erkannte, erkenne ich ebenso als solches."

"Aber weißt du, ob du diese Gedankenmuster nicht längst manipuliert hast. Du manipulierst, sieh es ein! Und du manipulierst Derid und selbst bei mir machst du das! Also mach, was du ohnehin immer tust, manipuliere sie."

"Wenn Derid mich so sehen würde - wie du, können wir ihr nie vertrauen. Ich möchte aber, dass ich ihr vertrauen kann."

"Siehe es doch ein, du kannst überhaupt nicht Nicht-Manipulieren, oder erinnerst du dich jetzt plötzlich wieder an deinen vergessenen Namen. Also erzähl’ mir nichts."

"Ich werde es trotzdem ohne Manipulation versuchen."

"Natürlich wirst du dein Ziel erreichen, daran zweifle ich keinen Augenblick, weil Derid ja auch nur über einen schwachen, menschlichen Geist verfügt."

"Der menschliche Verstand, der dir so schwach und unwürdig erscheint, hat aber gegenüber dem Ayrihn-Verstand einen einzigen aber wesentlichen Vorteil."

"Der wäre?"

"Die Menschen sind mit einer Halbwahrheit zufrieden, wenn sie erkennen, dass die volle Wahrheit unerreichbar ist. Ich meine wirklich unerreichbar!"

"Ich hab's ja schon gesagt, du manipulierst. Sogar wenn du sagst, dass du es nicht tun willst. Das wäre also geklärt. Das Manipulieren überlasse ich dir."

"Das ist die Sicht einen typischen Ayrihn, ihr deutet Kompromisse als Schwäche."

"Kompromisse sind Lügen! Aber hier prallen zwei Welten aufeinander. Unser Verstand und der eines Trohms. Ich bin dafür, dass wir das Thema streichen. Du wirst, wie wir Ayrihn zu sagen pflegen, Derid auf unsere Seite ziehen und ich tue einfach das, was du mir rätst, oder auch nicht."

"Da wüsste ich bereits was: Derid hat aufgehört einen Pfad durch das Dickicht zu schlagen. Sie hat jetzt genug davon, sie will raus."

"Aber wir haben noch hunderte Meilen vor uns, bis wir zu meiner alten Lichtung kommen und sie hat das einzige Schwert. Dazu muss ich doch nichts mehr sagen."

"Ooooh, jetzt sei nicht sooo, gönn’ ihr was."

"Was meinst du?"

Trohm half Maraygco ihren kleinen, wundersamen Rucksack zu schultern.

"Ich sage nur Pfade."

"Nein. Nein. Nein; und wenn du willst, noch mal nein. Ich lasse sie nicht meinen Platz einnehmen. Das würden die Makantmas mir nie verzeihen und ich mir selbst auch nicht. Außerdem, wäre es sehr schlecht für meine Existenz."

"Ich sorge dafür, dass du die Makantmas nicht täuschen musst, - Ich muss Derid gewinnen, und dafür bin ich bereit ein Opfer zu bringen. Auch wenn ich den ganzen Zorn des Waldes auf mich ziehe, dass spielt jetzt keine Rolle."

 

Maraygco und Trohm verließen das Nachtlager. Derid hatte mehrere hundert Meter einen engen Gang durch das Makantma-Gestrüpp geschlagen. Maraygco war sich nicht sicher, was Trohm sich ausgedacht hatte und sie vermutete, er selbst wusste es auch noch nicht.

Als sie bis zu Derid durchgedrungen waren, fanden sie sie horchend auf der Erde kauernd.

"Mir kam vor, als hätte ich Vogelgezwitscher gehört." sagte Derid.

"Hier?" fragte Trohm im ersten Moment erstaunt, aber dann hatte er eine Idee, und nützte die Sache für sein kleines Vorhaben. - "Oh, natürlich, die Makantmas gaben dir damit ein Zeichen, nehme ich an. Du kannst dein Schwert jetzt an die Seite hängen. Sie sind wahrscheinlich der Meinung, du hättest ihnen genug Äste abgeschlagen. Mit dem Vogelgezwitscher wollten sie dich dazu bringen, dass du aufhörst dein Schwert zu benutzen. Sie fürchten dich jetzt und sind bereit vor dir zur Seite zu weichen. - Aber du musst es richtig angehen, damit sie damit beginnen. - Das stimmt doch, Maraygco?"

 

Maraygco schüttelte nur den Kopf. "Was sollte der Unsinn." dachte sie sich. Derid hatte kaum eine bessere Meinung.

"Du machst dich über mich lustig." sagte sie, "ich glaube nicht, dass die Makantmas mich je fürchten werden."

 

Trohm warf Maraygco kurz einen auffordernden Blick zu. Aber Sie zog nur ein langes Gesicht, und kannte sich nicht aus.

"Derid, Derid, Derid", sagte Trohm, "du solltest nicht an dir selbst zweifeln."

"Was meinst du damit?"

"Sieh dich nur an, wo du gehst und stehst wird es hell, und wenn es dunkel ist, bist du beinah überwältigend. Außerdem besitzt du ein Sanit-Schwert und wie bei den Ayrihn ist es materiell und energetisch an deine Existenz gebunden. Nur du kannst und darfst es benutzen."

Maraygco hatte schon begriffen, diese Nummer... Sie gab Trohm ein Zeichen. Sie schien mit ihren Händen etwas hoch zu heben. Trohm verstand, was sie damit sagen wollte. Derid müsste sich vom Boden abheben und schweben und jetzt verstand Trohm ebenso, weshalb Maraygco ihm nicht entscheidend bei seinem Vorhaben unterstützen wollte, letztlich nicht konnte.

Natürlich durfte sich Maraygco nicht mit all ihren Möglichkeiten den Makantmas gegenüber in Erinnerung rufen. Wenn diese sturen Bäume Maraygco erst als jene Frau in Ayrihn-Gestalt wieder erkannt hätten, die vor langer Zeit schwebend und leuchtend durch ihre Reihen gezogen ist, dann hätte die automatisierte Löschroutine, Maraygco auch schon längst wiederentdeckt und diesmal Maraygcos neuen Körper ausgelöscht, wenn auch vermutlich erst nach einigen Prüfprozeduren.

 

"Es gibt ein Problem", sagte Trohm, "die Makantmas lassen dich nur durch, wenn du schwebst."

"Ich kann nicht schweben, Maraygco kann schweben, sie kann auch über Wasser laufen."

"Aber die darf jetzt nicht. Wir wollen ja, dass die Makantmas vor dir zurückweichen." sagte Trohm beschwichtigend und holte erst mal tief Luft. "Es gibt noch eine andere Lösung. Du musst die Makantmas davon überzeugen, dass du schwebst, obwohl du es gar nicht kannst."

"Das funktioniert?"

"Wenn du wirklich daran glaubst. Ich kann dir zeigen, was du tun musst, dass die Makantmas dir glauben. Aber es funktioniert diesmal nur, weil die Makantmas dir das Zeichen gegeben haben, dass sie dich durchlassen wollen. - Du musst sie, also nur davon überzeugen, dass du schweben kannst. Da sie aber keine Augen haben, können sie es nicht wirklich sehen, ob du schwebst, oder ihnen das bloß einredest. Es müsste also genügen, wenn du zu dir sagst, ich schwebe, und dann auf das Dickicht da vor dir zugehst."

"Das funktioniert sicher nicht."

"Nein, nein, nein. Sag es jetzt: - I C H S C H W E B E!"

Derid sagte zögerlich: "Ich schwebe."

"Noch mal."

"Ich schwebe."

"Ich denke, das war bereits ganz gut. Aber du musst es noch überzeugter sagen. Sag es dreimal hinter einander."

Derid sah Trohm mit großen Augen an. Sie war davon überzeugt, dass es selbst nicht helfen würde, wenn sie es tausendmal sagte. Trohm ließ aber nicht locker.

"Kleines, natürlich kann es nicht funktionieren, wenn du mich so anschaust. Du musst dich schon umdrehen, und die Bäume vor dir anschauen." Trohm half Derid beim Umdrehen. "So, und jetzt zeig' in die Richtung, in die du gehen willst und sag's dreimal. - Los.

"Ich schwebe?"

"Ja. Genau das. - Du kannst jetzt beginnen. Bitte!"

"Ich schwebe. Ich schwebe. Ich schwebe."

"Hervorragend! Aber damit es funktioniert, müssen wir alle drei zusammen helfen. Maraygco sagt jetzt..."

 

Maraygco unterbrach Trohm ins seiner Euphorie: "Trohm, ich darf gar nichts."

"Gut. Du sagst nichts." Er schuppste Maraygco zurück. "Stell dich hinter mir und halte den Mund. Ich will nicht auch noch deinen ungläubigen Gesichtsausdruck sehen. Am besten du drehst dich gleich ganz um, und schaust nach hinten.“ Ohne Unterbrechung wandte er sich wieder Derid zu. „Derid. Du sagst jetzt noch mal: ich schwebe, aber leise. So leise, dass ich dich nicht mehr hören kann und sag es dann immer fort. Und ich will auch ganz intensiv daran denken, dass du schweben kannst. So, und jetzt eine Letzte: Derid, ich tippe dir, wenn du losgehen sollst auf die Schulter. Jetzt gilt es. Jeder für sich und Maraygco geht uns dann einfach nach. Los!"

Trohm klopfte sich mit der linken Hand auf die Brust, ballte sie kurz zur Faust. Für einen kurzen Moment war er angespannt, und dann atmete er kräftig aus.

Derid schaute auf den Boden hinunter. Flüsterte wie ausgemacht einige male, „ich schwebe“, dann spürte sie Trohms Hand auf ihrer Schulter, und sie fühlte sich plötzlich wirklich eine kleine Spur leichter.

 

Trohm schob Derid vorsichtig an, weil sie vergessen hatte loszugehen und was dann geschah, möchte man wohl kaum glauben. Aber ein tiefes Grollen kam aus der Erde. Die Makantmas erzitterten. Die Äste begannen sich zu biegen und winden. Ein wuselndes Rascheln in allen Makantmas setzte sich immer weiter fort. Es knarrte und stöhnte und krachte. Vor Derid öffnete sich ein breiter Pfad. Derid erschrak und glaubte es kaum, dass es ihr gelungen war, die Makantmas so zu beeinflussen.

"Derid, nicht erschrecken. Du bist jetzt ein Ayrihn. Denke daran, du bist mächtig und niemand kann sich mit dir messen. - Du musst losgehen." Derid ging in den Pfad. Trohm und Maraygco folgten ihr. Geh einfach immer weiter, kümmere dich nicht um die Makantmas. Sie sind jetzt überzeugt. Sie wagen es nicht noch einmal an dir zu zweifeln."

Derid ging sehr langsam.

"Wir können auch schneller gehen." sagte Trohm, "Komm, kümmere dich nicht, um diese Bäume und geh einfach weiter."

 

Maraygco hatte Lust laut zu schreien. Das konnte niemals gut gehen. Derid wagte nicht zu sprechen. Trohm sagte ab jenem Moment auch nicht mehr viel. Sie folgten also den Pfad eine Weile und keiner sagte etwas. Derid staunte. Trohm beeinflusste und Maraygco hatte sich noch nicht entschieden. Aber sie war leicht sauer. Sie konnte es nicht fassen, dass sich Trohm so leichtfertig mit den Makantmas anlegte. Sie wusste zwar nicht, was er ihnen eingeredet hatte, aber es funktionierte.

Auch wenn die Makantmas es diesmal noch nicht merkten, irgendwann würden sie dahinter kommen, dass er ihre Gedanken manipuliert hatte, und Makantmas vergaßen nie; Und viel wichtiger war, sie kannten kein Verzeihen. Aber bis dahin kamen sie so natürlich viel schneller voran, und vielleicht war rasches Vorankommen im Moment wichtiger als Vorsicht. Die Makantmas dachten im Grunde ja auch sehr langsam, und ihre Rache zog sich vermutlich mehrere hundert Jahre hin; und solange wollte dann Maraygco dann auch gar nicht bleiben.

 

Nachdem sie einige Zeit den Tunnel unter den Bäumen gefolgt waren, meinte Maraygco, "das sie langsam einmal nach links abbiegen müssten.

Trohm forderte Derid auf, stehen zu bleiben und sich nach links zu drehen und sie musste wieder in die Richtung zeigen, in die sie zu gehen gedachte. Vor ihr öffnete sich ein neuer Pfad, als sie ihn betreten hatten, schloss sich der andere.

Derid war mit Staunen am Ende. "Ich glaube nicht, dass ich irgendwas damit zu tun habe. Also wirklich. Ich denke, schon eine ganze Weile nicht mehr, dass ich schwebe."

"Das macht nichts", sagte Maraygco. "Vorerst glauben die Makantmas, du seist ich. Nicht so wie ich jetzt bin, sondern wie ich früher einmal war. Ein schwebender, leuchtender Ayrihn mit einer starken Präsenz der Macht, so etwas oder etwas Ähnliches macht Trohm die Bäume gerade glauben. Sie denken, du seist jener mächtige Ayrihn, der sie einst trotz ihrer Sturheit dazu gebracht hatte zur Seite zu weichen. Natürlich bist du nur eine billige, abgedunkelte Ausgabe von meiner einstigen Erscheinung."

"Ich hab' mir gleich gedacht, dass er mich verarscht."

"Jetzt tu' nur nicht so, als hätte es dir nicht gefallen. Auch wenn du nur ein paar Augenblicke geglaubt hast, du könntest die Makantmas täuschen. Immerhin halten sie dich nicht für irgendeinen Ayrihn, sondern für mich."

 

Derid, Trohm und Maraygco drangen nun schneller in das Innere des Kontinents vor, begleitet vom dumpfen Ächzen zur Seite weichender Makantmas, die ihnen stets etwa eine viertel Meile voraus einen Pfad öffneten. Diesmal ließ Derid die Sache auf sich beruhen. Trohm hatte wahrscheinlich seine besonderen Gründe, warum er es so gemacht hatte.

Derid ging voran, dicht gefolgt von Maraygco. Sie folgten den beinah lichtlosen Tunnel Jetzt wo das Gestrüpp zur Seite gewichen war, wirkte es, als wäre es nicht mit dem Grund verwurzelt. In den Makantmas war Bewegung, als trieben sie in einem Strom, in dem sie schaukelten und schwankten. Trohm folgte ein Stück zurückliegend. Er blieb außerhalb des kleinen hellen Bereichs. Mitunter blieb er nun auch stehen und wartete. Er sah Derids schwachen Schein voraus sich entfernen. Maraygco blickte sich um, Derid ebenso. Sie konnten Trohm plötzlich nirgendwo mehr sehen.

Wir gehen weiter, er wird uns einholen.“ Sagte Maraygco. Ein paar Schritte weiter war Trohm dann plötzlich wieder dicht hinter ihnen. Wie aus dem Nichts kam er unerwartet aus dem Schatten. Er eilte heran und sprach mit Maraygco.

Wir werden bald auf mehre Leute stoßen, denke ich.“ Flüsterte er.

Wie weit voraus?“ fragte Maraygco

Höchstens eine halbe Meile.“

Aber was tun sie hier auf Myd?“

Es sind Qui-Dweda, Schwarze Qui-Dweda. Zwei sind hinter uns, sie folgen uns bereits seit einiger Zeit.“ Trohm ging weiter. „Wir bleiben jetzt dicht zusammen.“

Derid hatte noch nichts von Qui-Dwedas gehört, auch nicht von Schwarzen, aber wenn Trohm schwarz sagte, dann meinte er wohl nicht bloß dunkel, sondern etwas Pechschwarzes. Derid umklammerte den Griff ihres Schwertes. Es ließ Derid keine Ruhe, sie wollte wissen, was sie erwartete.

Trohm? Wie sehen diese Qui-Dweda aus? Sind sie ähnlich wie Menschen, bloß größer oder kleiner?“

Du wirst gleich welche sehen. Sie werden versuchen uns aufzuhalten.“

Sag mir wenigstens, sind sie gefährlich?“

Keine Zeit jetzt, wir müssen weiter.“

 

 

Fortsetzung folgt...